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Mehr Spuckschluck statt Feuchte Träume

11 min readMar 1, 2025

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CW: Transmisogynie, Ableismus, Mentalismus

Vor ein paar Stunden bin ich das erste Mal an einer Tür abgewiesen worden. Gut, technisch gesehen das zweite Mal, aber das Mal davor ist 20 Jahre her und eigentlich eine lustige Geschichte. Dieses Mal nicht so sehr.

Bild entspricht nicht dem tatsächlichen Produkt

Niedrige Erwartungen..

Es geht hier um die sexpositive — und nach eigenem Branding auch “love positive” — Veranstaltungsreihe “Feuchte Träume”. Ich habe keine große Erfahrung mit sogenannten SexPo-Parties, und die Erfahrung die ich habe ist sehr gemischt. Die meisten Veranstalter sind sehr cis-normativ, wenn nicht sogar cis-hetero-normativ, und daher mache ich mir als nie-im-Leben-passende transfeminine Transe keine Illusionen darüber mich auf solchen Parties wohlfühlen zu können oder irgendwie sicher fühlen zu können. Transinklusive Parties sind eher selten, solche die gute Awareness Policies haben *und* transinklusiv sind noch seltener. Entsprechend positiv hab ich es aufgenommen, dass die dritte Ausführung von Feuchte Träume mit einem FLINTA* Darkroom geworben hat. Also hab ich in ein Ticket investiert und mich tatsächlich schon Wochen vor der Veranstaltung um ein Outfit zum Theme gekümmert.

Am Tag vor der Party, als die Tickets verschickt wurden kam dann die erste unangenehme Überraschung: Auf den Tickets prankt fett mein legaler Name. Ich hab eine komplizierte Beziehung zu diesem Namen und obwohl ich ihn nicht konkret als einen Deadname betrachte ist es mir einfach lieber, wenn man mich als Cat kennt. Für andere trans Menschen kann dies aber direkt Dysphoria auslösen und ist ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko für viele. Technisch gesehen ist es unnötig den Namen auf das Ticket zu drucken, auch wenn er mit dem Ausweis abgeglichen werden muss (was ja schon Sinn macht, wenn man die Identität der TicketinhaberInnnen prüfen muss), weil die Information ohnehin beim Scannen des QR-Codes auf dem Ticket verfügbar ist. Andere Veranstaltergruppen machen das so und es ist kein nennenswerter Mehraufwand. Vor allem ist es etwas das einem gleich auffallen sollte, wenn man sich irgendwie mit Awareness für trans Menschen beschäftigt und auch nur eine Minute darauf verschwendet über unsere Sicherheit nachzudenken.

.. und wie man sie unterbietet

In der Instagramchatgruppe weise ich die Orgas sanft darauf hin und ernte dafür eine passiv-aggressive Antwort, die die Sicherheitsbedenken als “Herausforderung für Transpersonen” minimiert.

Meine Sicherheitsbedenken, deren pampige Antwort

Man beachte auch, dass auf meine Schreibweise “trans Personen” mit “Transpersonen” geantwortet wurde, immer schon kein gutes Zeichen für Awareness bzgl trans Personen. Ich könne ja Alternativvorschläge einbringen. Exzellent, die Verantwortung für adequate Sicherheitsmaßnahmen für marginalisierte Gruppen, für deren Sicherheit man vorgibt zu sorgen, auf diese abwälzen ist natürlich auch Goldstandard für Allyship, Solidarität, Awareness und gesunden Menschenverstand. Abgerundet wird das dann noch damit, dass ich ihnen das doch bitte “konstruktiv” per Email mitteilen soll.
Der restliche Chat kommentiert das einfach nicht, wieso auch, sind ja zum Connecten und Feiern da, nicht für Solidarität oder Anteilnahme mit Fremden. Der Aufruf des Awarenessteams, dem man mit der Bewerbung für ein Ticket zustimmt, “see something, say something” ist in den Köpfen offenbar angekommen — und dann verhallt.

Meine Klarstellung

Natürlich kann ich das nicht so stehen lassen und antworte darauf — noch immer diplomatisch, aber mit klaren Worten. Weder von der Orga noch den TeilnehmerInnen im Chat kommt darauf ein Kommentar.
Na gut, denk ich mir, besser als ne lange Diskussion. Meine Erwartungen sind aber natürlich getrübt.

Do it, or do it scared

Am Tag der Party dann bin ich nur leidlich motiviert überhaupt aus dem Haus zu gehen, an sich wäre es für mich auch Zeit zu schlafen. Aber ich will ein großes Mädchen sein, denn ich hab für die Tickets gezahlt und kann sie jetzt eh nicht mehr stornieren. Es kommt ja auch ganz drauf an was man draus macht, also gönne ich mir eine halbe Koffeintablette und mach mich auf. Irgendwie denk ich mir, gerade wenn ich ohne große positive Erwartungen hingehe kann ich am leichtesten positiv überrascht werden. Immerhin ist die Location cool (das Wiener Funkhaus) und gehen kann ich ja dann jederzeit noch. Ausserdem ist mein Outfit ziemlich cool und das ganz für mich zu behalten wäre ja auch asozial. Dafür kriege ich übrigens in kurzer Zeit mehrmals Komplimente.

Am Funkhaus angekommen werde ich von einer Awarenessperson auch freundlich empfangen und ich kriege eine kurze Orientierung. Die Umkleidebereiche sind an den Seiten des großen Foyers, die Garderobe ist die Treppen rauf und der Ticketcheck in der Mitte des Foyers. Beide Bereich sind übrigens nicht nur gegenseitig einsehbar, sondern auch von der Straße, denn die Eingangstüren sind aus Glas. Wer sich nicht gerne vor oder in der Nähe von cis Männern umziehen möchte, oder nicht von der Straße aus zu sehen sein will, der kann sich nur in den Schatten eines niedrigen Raumteilers ducken, hinter dem kaum Raum für 3 Personen und ihre Taschen bleibt. Der Steinboden des Foyers ist ausserdem kalt und auch der Raumtrenner schützt nicht vor Einsicht vom Ticketcheckbereich oder den Treppen zu den Garderoben. Nicht so ideal alles, und für meine Stimmung und meinen Stresspegel auch nicht hilfreich. Ich ziehe mich so schnell ich kann um und verfluche die Schnallen meiner hochhackigen Sandalen, die zwar bequem passen, aber im Halbdunkel des Raumtrenners und stehend sowieso nicht so leicht zu gehen. Auch das ist dann geschafft, ich bin endlich in meinem vollständigen Outfit, packe den Rest zusammen und will Rucksack und Tasche in die Garderobe bringen. Ich habe das Gefühl, dass das Schlimmste nun erledigt sei, dass ich über den Berg bin. Aber vom Gipfel gibt es bekanntlich nur noch eine Richtung.

Talfahrt

Irgendwer hat sich wohl überlegt, dass das der ideale Zeitpunkt für einen Hinterhalt in Form eines “AWA Checks” ist. Zwei Personen halten mich auf, es spricht aber nur eine von ihnen mehr als zwei Worte. Nennen wir diese Person F. Ich hab nicht gefragt und will nicht über F’s Gender mutmaßen, es drängt sich mir aber im Verlauf des Gesprächs ein Verdacht auf, nicht zuletzt weil die andere Awarenessperson im so deutlichen Kontrast zu F stand und eher in den Hintergrund gedrängt wurde.

Zuerst die üblichen Fragen, ob ich schon mal da war, ob ich schon mal auf SexPo Parties war, ob ich wüsste es was mit Awareness und Consent auf sich hat. Nein, noch nie hier, ja, schon auf anderen Parties, und ja, ist mir eh bekannt. “Ok”, sagt F. Ich merke an, dass man mir das vlt nicht so einfach durchgehen lassen sollte. Kann ja jede daherkommen und das behaupten, ohne wirklich Bescheid zu wissen oder sich weiters Gedanken darüber gemacht zu haben. Damit hab ich wohl einen Nerv getroffen, denn F erklärt mir ausführlich, dass genaueres Nachfragen nicht nötig sei, da sei schon genug Gespür vorhanden um die “Vibes” zu checken. Ich stehe derweil mit Rucksack und großer Tasche da und möchte gerne aus diesem unnötigen Gespräch raus. Statt Consent und Awareness ist F aber eigentlich nur mein Outfit wichtig, das sei ja eh so schön bunt und auch passend zum Theme, denn die anderen Parties seien ja so langweilig mit ihren primär schwarzen, ernsten Outfits. Aha okay, ja, eh. Ich weise noch mal drauf hin, dass ich mich mit Awareness und Consent und dergleichen sowieso viel beschäftige und es auch kein Problem für mich wäre, dass man mit mir drüber spricht, dass ich das sogar gut finde, dass ich mir wünschen würde, dass Awarenessteams mehr auf Leute zugehen würden. Aha, toll, da könnte ich ihnen ja mehr von erzählen und später noch Feedback zu geben. Nein danke, sage ich, ich bin ja zum feiern hier, für Vorträge und Workshops müsste man mir schon meine Zeit bezahlen, ich lache freudlos. Dann werde ich endlich durchgewunken.

An der Garderobe dann eine ungute Überraschung: Es gibt keinen freien Bereich um seine Sachen einfach abzustellen, die kostenpflichtige Garderobe ist die einzige Möglichkeit. Das wurde vorab nicht kommuniziert und man kommt erst zur Garderobe wenn man sich schon (vor allen) umgezogen hat. Ausserdem sind die Preise absurd. Jacken runde 2€, Taschen 4€, Rucksäcke und große Taschen 6€. Die netten Menschen hinter der Theke können natürlich nichts dafür. Wegelagerei ist das trotzdem, denn entweder man zahlt was verlangt wird oder muss mit seinen Sachen — und ohne Refundierung des Eintrittspreises — wieder gehen. Mein Rucksack passt gerade so in die Tasche und so muss ich “nur” 6€ zahlen. Nun hab ich plötzlich Kleingeld in meiner kleinen Handtasche rumfahren, super. Aber wenigstens ist das erledigt und ich kann endlich auf die Party. Denke ich.

Regen -> Traufe

Am Ticketcheck will man dann in meine Handtasche schauen und fragt mich, ob ich Flüssigkeiten oder Getränke dabei hätte. Ja, meine 0.5l Plastikflasche voller Wasser, denn so weiß ich, dass mir Niemand was ins Getränk wirft, das erklär ich dem jungen Herren auch, der entweder keine Lust hat hier zu sein oder sich mit mir beschäftigen zu müssen. Ne, geht nicht. Ne, auch nicht wenn ich sie ausleere und drinnen wieder fülle. Meine Nerven werden dünner und mir wird die Situation immer unangenehmer. Ich will doch einfach nur auf die Party und vor allem mich kurz irgendwo sammeln können. Aber gut, ich entschuldige mich kurz und stakse zurück zur Garderobe. Auf dem Weg dahin komme ich an dem Awarenesspärchen vorbei und sage ihnen im Vorbeigehen, dass es echt besser gewesen wäre, wenn man über sowas vorher informiert worden wäre.

Wenigstens können die netten Menschen an der Garderobe meine Wasserflasche schnell in meine Tasche packen ohne dafür alles wieder nach vorne holen zu müssen. Ich stakse zurück zum Ticketcheck, ohne Wasser, mit meinem ausgedruckten (ich mag das halt so) Ticket in der Hand. Mein legaler Name ist zur Diskretion mit PostIts abgeklebt, aber das spielt gleich keine Rolle mehr. Meine Handtasche wird inspiziert, ob ich sonst irgendwelche Flüssigkeiten dabei hätte. Ist Gleitgel ein Problem? Nein, aber Augentropfen wären es. Ich glaube, hätte ich Augentropfen dabei gehabt und hätte noch mal zur Garderobe müssen, ich hätte geheult. Aber noch bevor der unfreundliche junge Herr damit fertig ist meine eng gepackte Handtasche zu dekomprimieren kommt einer seiner Kollegen dazu und erklärt mir, dass er gerade vom Awarenessteam informiert worden sei, dass mein Vibecheck doch nicht gepasst hätte und ich gehen müsse. Ich könne es beim nächsten Mal gerne wieder probieren.

Reality Check

Während mir das Gesicht einfriert und ich erst mal nicht glauben kann was hier gerade passiert tritt noch ein Securitymensch dazu. Sie stehen nun zu dritt um mich herum, denn scheinbar bin ich, die halbnackte Transe auf Heels, mit Stressschweiß auf der Stirn und einer Handtasche voller Gleitgel, eine potentielle Gefahr, die eingeschüchtert werden muss. Ich frage ungläubig nach, ob das ihr Ernst sei und schaue ein paar Sekunden von einem zum anderen. Als mir dann aufgeht was hier passiert ist fixiere ich den Anführer des Unsicherheitsrudels und gönne mir die einzige verbale Katharsis des Abends als ich ihm zuzische: “Ihr habt hier gerade so verschissen.”. Ich drehe mich um und trete den Gang zur Garderobe an.
Als ich am Awarenesscheckpoint vorbeikomme wendet sich F auffällig ab.

Die Menschen hinter der Garderobe sind weiter sehr lieb und Jemand fragt mich sogar nach meinem Namen, leider hab ich mir den ihren nicht merken können. Das Garderobengeld krieg ich natürlich nicht wieder. 6€ um für 10min auf eine Tasche aufzupassen sind schon ein lukratives Businessmodel. Vom Eintrittsgeld ganz zu schweigen. Dann geht es wieder hinter den Raumteiler um mich straßentauglich zu kleiden.
Es ist an diesem Punkt, dass sich Jahre an Therapie und die richtigen Medikamente bezahlt machen, denn noch zwei Jahre zuvor wäre ich entweder an Ort und Stelle vor Scham gestorben oder zumindest in eine akute Panikattacke verfallen. So sind mir die Blicke der Menschen um mich herum zum Glück egal und ich kann mich zügig und ohne Zittern wieder umziehen.

Man kann Awareness nicht ohne Awa, Ne schreiben

Wie es mir geht — oder gar ob es mir gut geht — hat mich niemand gefragt. Dass man ein Problem in meinem Verhalten sehen könnte hat niemand angedeutet. Zumindest nicht auf eine Weise die mein neurodivergentes Gehirn hätte parsen können in dieser stressigen Umgebung, auf die mich niemand vorbereitet hat. Beim Gehen frage ich F nach dem Namen. Es schwingt Trotz und Genugtuung mit, als ich ihn gesagt bekomme. Es ist klar wer da einen Sinneswechsel bzgl meines “Vibes” hatte. Ich hab ein Ego verletzt und so wurde das bischen Macht, das F gegeben wurde, gegen mich eingesetzt. Ich hab mich nicht angemessen der Allmacht des Awarenessteams unterworfen und hab es gewagt Ansprüche anstatt unkritischen Respekt vor dem Awarenessteam in der Person von F zu haben und hab dafür den Preis bezahlt.

Ich hatte Glück die Fassung wahren zu können. Wie es anderen in der Situation ergangen wäre mag ich mir kaum vorstellen. Ein “Vibecheck” an der Tür macht Sinn um aggressive, angetrunkene, etc Personen auszusieben, nicht um neurodivergente trans Menschen in Stresssituationen für mangelnde Demut zu strafen. Ein “Vibecheck” der — laut F — bewusst zeitlich *nach* dem Umziehen angesiedelt ist, das grenzt an Boshaftigkeit. Als Grund wurde angegeben, dass sie sich vorher ja nur Bilder vom Outfit hätten zeigen lassen können, so sähen sie es gleich. So müssen sich Leute aber auch erst mal verletzlich und angreifbar machen um von fremden Menschen auf ihre “Vibes” geprüft zu werden und dann jedwege Entscheidung hinnehmen müssen.

Selbst wenn es eine Stelle gibt an der man sich über unfaire Behandlung durch Awarenessmenschen beschweren kann, die akute Situation ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt um das zu tun. Vor allem dann, wenn man durch die eigene Marginalisierung sowieso Gefahr läuft als aggressiv, feindselig oder aufmüpfig charakterisiert zu werden. Neurodivergenzen mit eingeschränkter oder atypischer Mimik sind davon genau so betroffen wie Transfemininität an sich. Wäre ich nicht immerhin weiß gewesen hätte man mich vielleicht sogar noch zur Tür eskortiert. Hätte ich an Ort und Stelle verlangt das zu klären und mich zu beschweren, es wäre nur gegen mich verwendet worden. Die drei Securitymenschen um mich herum haben das mehr als klar gemacht.

Sicher(er), aber für wen?

Was wenn meine Neurodivergenz oder meine psychischen Krankheiten es mir nicht erlaubt hätten einen kühlen Kopf zu bewahren? Was wenn diese unfaire und entwürdigende Behandlung eine Panikattacke ausgelöst hätte in der ich das Gefühl hätte um mein Leben kämpfen zu müssen? Was wenn ich in Schockstarre verfallen wäre oder zu heulen begonnen hätte?
Ist die Fähigkeit ruhig zu bleiben wenn man mit Toxizität und Ungerechtigkeit konfrontiert und behandelt wird tatsächlich eine Voraussetzung um auf eine solche Veranstaltung gehen zu können?
Ist Scharfzüngigkeit ein so großes Verbrechen, dass jedes Unrecht mir gegenüber daneben verblasst? Muss Kritik ihren guten Willen erst beweisen bevor man anders als mit Abwehrhaltung auf sie reagiert? Müssen Marginalisierte sich denen, die behaupten für ihre Sicherheit zu sorgen, andienen, auch wenn diese Sicherheit nicht gegeben ist?

Ich frage mich natürlich auch, ob F nicht die gleiche Person ist, die mir auf Instagram geantwortet hat, oder ob es sich dabei nur um generische Unfähigkeit handelt mit legitimer Kritik umzugehen.
Ich weiß in jedem Fall, dass ich nicht auf Gerechtigkeit hoffen kann. Ich kann nur anderen, vor allem anderen Marginalisierten, davon abraten sich auf diese Veranstaltungsreihe einzulassen. Von Love Positivity ist hier keine Spur.
Und allen Nicht- oder nur Schwachmarginalisierten möchte ich sagen, dass dies die Momente sind in denen eure Solidarität und eure Allyship gefragt sind. Nicht erst wenn ihr von der Party kommt. Solidarität und Allyship beginnen dort wo es eben nicht mehr bequem ist. Unrecht und Ungerechtigkeit passieren vor eurer Nase, weil ihr es zulasst.

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Cat Harsis
Cat Harsis

Written by Cat Harsis

Just a polynary queen (she/they) trying to make sense of the world and share their insights. @purrcatharsis on Instagram @purEcatharsis on Facebook

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